Ich habe manche Komödien mit, aber noch keine einzige von Til Schweiger gesehen. Die Regiearbeiten eines Matthias Schweighöfer sind mir ebenso unbekannt wie das Gesamtwerk von Sven Unterwaldt. Und der bei Kinozuschauern außerordentlich beliebte Elyas M'Barek war mir bislang nur entfernt ein Begriff. Ganz ohne teutonische Späße aber geht es auch bei mir nicht. Die Feuchtgebiete etwa fand ich komplett in Ordnung, mit den Blutzbrüdaz hatte ich sogar sehr viel Spaß, beim großartigen Ich fühl mich Disco musste ich mindestens so viel lachen wie schluchzen. Wenig erwärmen hingegen konnte ich mich für Männerherzen oder Rubbeldiekatz – und warum ich Agent Ranjid rettet die Welt gesehen habe, weiß ich schon gar nicht mehr. Vielleicht sind das keine schlechten Voraussetzungen für eine Annäherung: Was gegenwärtige deutsche Erfolgskomödien betrifft, bin ich zwar vorbelastet, aber nicht irreversibel geschädigt.
Mich interessiert, warum der Erfolg der trotz ihrer ungebrochenen Beliebtheit beim Publikum offenbar schlecht beleumundeten deutschen Komödie so wenig sichtbar wird. In meinem Umfeld, aber vor allem dort, wo eine geschmacksorientierte Beschäftigung mit Kino stattfindet, suche ich vergeblich nach breiter Zustimmung. Die Internetplattform moviepilot schafft in ihrer Seitenstruktur und redaktionellen Berichterstattung uneingeschränkte Voraussetzungen für eine Nutzergemeinschaft, die filmische Diskurse mit Leben füllt. Durch die Vielzahl an Userstimmen und unterschiedlichen Zugriffe bildet sie einen Querschnitt deutscher Kinointeressen ab, der zumindest tendenziell Rückschlüsse auf das zulässt, was besonders populär ist. Geht es um deutsche Komödien, die hierzulande sechs, sieben und mehr Millionen Zuschauer in die Kinos locken, verschiebt sich das Bild jedoch auf merkwürdige Weise.
Entweder traut sich hier und andernorts kaum jemand zuzugeben, dass er gern über Schweiger und Schweighöfer lacht. Oder aber es handelt sich bei den größten deutschsprachigen Filmportalen schlicht nicht um Anlaufstellen für jene Zuschauer, die die größten deutschsprachigen Filme überhaupt zu solchen machen. In der Filmdatenbank IMDb gilt der beachtlich erfolgreiche Kartoffelsalat - Nicht fragen! als Produktion mit den schlechtesten Nutzerbewertungen aller Zeiten – schwer vorstellbar, dass die laut Angaben ihrer Macher rund 500.000 Kinobesucher die Komödie auch durchweg unerträglich fanden. Ist die Begeisterung für Filme wie Honig im Kopf, Traumfrauen oder Der Nanny eine, die es nur hinter vorgehaltener Hand geben darf? Kann man sie lediglich auf verschämte Art mögen? Oder lassen am Ende die giftigen Kommentare viele Fans deutscher Erfolgskomödien verstummen?
Mir bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als in den Filmen selbst nach Antworten zu suchen. Vielleicht motivieren sie ihr Publikum gar nicht erst zu einer Auseinandersetzung mit sich und dem Kino, finden von vornherein in einem diskurs- oder jedenfalls netzfreien Raum statt. Möglicherweise gibt es über sie tatsächlich nichts zu sagen, zumindest nichts Affirmatives. Also schaue ich aus aktuellem Anlass Fack ju Göhte, den hierzulande meistbesuchten Kinofilm 2013. Hinter der Komödie steht die Rat Pack Filmproduktion, die gemeinsam mit Constantin Film und durch Unterstützung zahlreicher Filmförderungsanstalten auch schon für Kinoerfolge wie Wickie und die starken Männer oder Türkisch für Anfänger - Der Film verantwortlich war. Mit dem bisher nicht minder erfolgreichen Fack ju Göhte 2 hat die Filmproduktionsgesellschaft längst schon ihren nächsten Hit in den Kinos, aber ich hinke ja nun leider ein bisschen hinterher.
Während ich den ersten Teil auf DVD nachhole, mache ich mir folgende Notizen:
- sonderbares Farbschema
- die Handlung kommt mir bekannt vor
- Zeki Müller verabreicht seiner Kollegin Lisi Schnabelstedt K.-o.-Tropfen
- einer Schülerin rät er, sie solle nicht so viel "fressen", wenn sie nicht "als Jungfrau sterben" wolle
- ihre Mitschüler nennt er "Spast" und "Wichser"
- ungehorsame Kinder werden mit Paintballgewehren abgeschossen
- Zeki Müller = Held des Films?
- Lisis Freundin und Mitbewohnerin findet ihn "super hot"
- "Der kann garantiert richtig gut ficken."
- Uschi Glas, Sprung aus dem Fenster; Max von der Groeben, Kopf unter Wasser
- ein heterosexuelles Beziehungsklischee jagt das nächste
- 53. Minute: schade, noch keinmal gelacht
- überprüfen: Plot von Der Diamantencop
- Lisi Schnabelstedt hat auch eine kleine Schwester ...
- ... die für den Film aber erst relevant wird, als sie sich zu schminken beginnt
- "Lauf doch nicht immer so rum, als ob du auf ’ne Geschlechtsumwandlung wartest." (Zeki zur Schwester)
- Ist Bad Teacher besser?
- Romeo und Julia in Neon gab es schon mal
- ab der 90. Minute nur noch aneinander montierte Enden
Man merkt schon: Mich langweilte Fack ju Göhte sehr, obgleich mir einleuchtet, warum er einen Nerv getroffen hat. Ich verstehe auch, was man an Elyas M'Barek gut finden kann und dass es keine Rolle spielt, dass ich ihn hier außerordentlich furchtbar fand. Trotzdem begreife ich vieles nicht. Und es würde mir schwer fallen, dazu Stellung zu beziehen, hätte mich der Film begeistert. Ist seine Frauenfeindlichkeit ein ironischer Kommentar über Frauenfeindlichkeit oder doch nur scheinbar witziges Mittel zum Zweck? Benutzen die Jugendlichen im Film diskriminierende Sprache, weil Jugendliche das nun einmal tun oder weil die Komödie vielmehr glaubt, dass sie es tun müssten? Spielt Regisseur Bora Dagtekin in der Darstellung sogenannter bildungsferner Schichten lediglich mit Klischees oder meint er, die Klischees selbst seien schon ein Erkenntnisgewinn? Und wo eigentlich endet dieses Spiel und beginnt es also, in Menschenverachtung umzuschlagen?
Den Grenzübertritt leistet sich Fack ju Göhte meines Erachtens sehr bewusst, und er ist dabei nicht weniger autoritär als
der von M'Barek gespielte Zeki Müller. Sein
Humor ergibt sich
in erster Linie aus dem Zusammenstoß der Hauptfigur mit einem normativen
Schulsystem, dessen Repräsentanten Müller charmant verhöhnt.
Übereifrige Sozialpädagogen haben bei ihm genauso wenig eine Chance wie
herausfordernde Lehrmodelle, nach strengen Bildungsplänen agierende Theaterlehrer schlägt er ebenso erfolgreich in die Flucht wie Intellektuelle und "Gutmenschen". Den Schülern möchte er demnach auf
Augenhöhe begegnen, was buchstäblich ver-kehrt sein soll.
Seinen Kollegen und nicht zuletzt der sie vertretenden Rektorin räumt er
dabei Möglichkeiten zur Anpassung ein: Wenn die von Karoline Herfurth und Katja Riemann
gespielten Figuren sich zu Müllers Bedingungen bereit erklären,
Schüler so lange zu diffamieren, bis sie lernfähig werden, dürfen sie
mitspielen.
Ich störe mich nun weniger an der These des Films, dass Lehrer, die
auch mal einen Hammer (oder hier sogar einen Pressluftbohrer) in die
Hand nehmen, unbedingt bessere Pädagogen sind. Ich störe mich an den
Konsequenzen dieser Behauptung: Zeki Müller ist kein "Arsch mit Herz",
wie dessen Freundin die Figur nach Produzenten-Pitch klingend (und
Rom-Com-tauglich) beschreibt, sondern er ist ein Arsch ohne Empathie –
merkbefreit und einfältig gerade auch in jenen Momenten, die den
geläuterten Ex-Knacki als besten Mann für jugendliche Befindlichkeiten ausweisen möchten. Die vorgeblich erbaulichen
Schlüsse, die Fack ju Göhte aus dem stolz-rabiaten Humor zieht, sind reaktionärer als sämtliche Lümmelfilme von anno dazumal: Mit
Horrorbildern verkommener Hartz-IV-Empfänger spornt Zeki Müller seine
servil gemachten Schüler an, auf dass sie später einmal schön
funktionieren werden in der Leistungsgesellschaft, die sie erwartet.
"Nieder mit dem Fascho-Schulsystem!" skandieren folglich die Schüler in einer anderen deutschen Komödie, wenn auch mit denkbar unterschiedlichem Kontext. Tod den Hippies!! Es lebe der Punk! erzählt von einer Ende der 1970er-Jahre auch hierzulande aufkeimenden Subkultur, die sich gegen das miefige Establishment und schulische Autoritäten wendet. Die Hauptfigur des Films durchlebt in der Westberliner Punkszene allerhand Groteskes, was ein schöner Aufhänger einer genauso schönen Komödie sein könnte. Bedauerlicherweise aber hat Oskar Roehler sie gedreht – und bedauerlicherweise auch setzt sich selbst in dessen formal völlig anderem Stil jene "lustige" Frauen- und Minderheitenfeindlichkeit fort, die mir schon Fack ju Göhte verleidete. Mussten die männlichen Figuren dort um jeden Preis weibliche Souveränität bekämpfen, gilt es sich hier mit aller Macht an eigenen Mutterkomplexen abzuarbeiten – ein besonderes Lieblingsthema von Oskar Roehler, wenn ich mir Elementarteilchen in Erinnerung rufe.
Natürlich ist ein homophober Witz nicht automatisch ein Witz über
Schwule und Lesben, sondern kann er sehr wohl auch ein Witz über
homophobe Menschen und homophobes Denken sein. Dennoch erscheint
es mir auf unangenehme Art auffällig, wie oft Roehlers Figuren
milieuübergreifend das Wort "Schwuchtel" verwenden, und wie sehr auch "Fotze"
zum festen Sprachinventar all seiner Filme gehört (die ich, anders als
bei Schweiger und Schweighöfer, leider mehrheitlich gesehen habe).
Da kann sich ein Feuilletonliebling wie er noch so viele hochkulturelle
Erkennungszeichen anheften: Wenn es in Tod den Hippies!! Es lebe der Punk
allein darum geht, linkem und rechtem Machotum augenzwinkernd, doch von
Herzen solidarisch zu begegnen, ist das noch lange kein komödiantisches
Gegenstück zu Proll-Comedy-Formaten. Nicht zuletzt reiht Roehler, um
den Muttis und Muschis seiner Welt ordentlich eins mitzugeben, auch
ungleich mehr verbale und visuelle Unappetitlichkeiten auf.
Bleibt nur noch die Flucht ins deutsche Komödientheater – beziehungsweise in ein Kino, das deutsches Komödientheater adaptiert. Frau Müller muss weg basiert auf dem gleichnamigen Stück von Lutz Hübner, das Regisseur Sönke Wortmann auch schon erfolgreich fürs Grips-Theater inszenierte. Wieder geht es um Schule und Frauen, vor allem aber um etwas, das in Fack ju Göhte überhaupt keine Rolle spielte: besorgte und sich bald auch vor Sorge selbst zerfleischende Eltern, die Lehrern das Leben schwer machen. Ohne Vulgärsprache und Zoten, dafür aber mit steif und einstudiert wirkenden Performances versucht sich der Film auf andere Art an einem komödiantischen Zugriff aufs Thema. Und ich glaube allmählich zu verstehen, warum die Begeisterung über deutsche Komödien trotz deren großer Erfolge eine merklich verhaltene ist: Sie können nur lärmend-obszönen Klamauk oder lärmend-didaktisches Humortheater. Dazwischen gibt es offenbar nichts. Dazwischen wird es interessant.