Tatort: Freddy tanzt - So viel negative Energie

01.02.2015 - 20:10 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort: Freddy tanzt
WDR/ARD
Tatort: Freddy tanzt
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In Tatort: Freddy tanzt geht es eher um das "warum" als das "wer" und so überzeugt der Krimi aus Köln vor allem in den zwischenmenschlichen Momenten abseits der Alibi-Befragung.

Es wäre eine ganz natürliche Reaktion, nach Ansicht von Tatort: Freddy tanzt ins nächstgelegene Einrichtungshaus zu flitzen, um die eigenen vier Wände einer Runderneuerung zu unterziehen. So viel Eindruck schinden die detailverliebt eingerichteten Wohnungen in dem Krimi, vor allen Dingen die bunte Kuschelhöhle des älteren Pärchens im Parterre von Hausnummer 77a in Köln. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal in der Tatort-Welt. Aber Freddy tanzt ist ein Film voller Menschen, die so lange künstliche Mauern errichten - als Statussymbol, zur Sicherheit, zur Wahrung eines Doppellebens - bis die individuelle Isolation zur gemeinschaftlich verantworteten Katastrophe führt.

Tatort: Freddy tanzt

Im Mittelpunkt des Krimis von Regisseur Andreas Kleinert (Tatort: Borowski und der Engel) und Autor Jürgen Werner (Tatort: Franziska) steht mit dem früheren Musiker Daniel Gerber (Matthias Reichwald) bezeichnenderweise einer, der ohne die physischen vier Wände auskommen muss und umso härter an den psychischen abprallt. Eigentlich will der obdachlose junge Mann nur seiner Leidenschaft nachgehen und sich etwas dazuverdienen, als er sich in einer Hochglanzkneipe zur Probe ans Klavier setzt. Mehrere Tage später findet ihn seine Mutter im Gestrüpp: liebevoll hingelegt, zugedeckt, tot. Auf der Suche nach ihrem Sohn hatte sie sich bei Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) vorstellig gemacht, der sie prompt als neue Nachbarin begrüßte. "Ich wohne seit 17 Jahren hier" lautete ihre Antwort. Ein Gespräch als Mikroversion des Tatorts. Trinkt sich Ballauf daraufhin allein am Kneipentresen in den Feierabend, spielt Freddy Schenk (Dietmar Bär) in diesem Krimi mit der Grenzüberschreitung. Als herauskommt, dass das Opfer kurz vor seinem Tod im Hausflur von Nummer 77a gesehen wurde, flirtet der Familienvater heftigst mit der alleinerziehenden Bewohnerin Claudia Denk (Ursina Lardi). Wie die anderen auch will sie nichts zu tun gehabt haben mit dem "blutigen Etwas", das eines Nachts die Ruhe gestört hat. Und wie die anderen auch lebt sie in einem weitläufigen Appartement, ganz ihrer Künstler-Seele entsprechend eingerichtet. An den Wänden aber hängen Kopien der Gemälde anderer.

Die Kunstprofessorin, das exzentrische Pärchen, der raubeinige Eishockeytrainer und die einsiedlerische Übersetzerin - Nummer 77a würde mit seinen Mietern auch ganz gut in einen Agatha Christie-Krimi passen, Mord im Orient-Express zum Beispiel, nur das sich im entscheidenden Moment alle in ihrem Abteil verschanzen. Die Reißbrett-Banker bringen den Tatort mit ihren Psychospielchen ins Rollen, aber erst die Bewohner des Mehrfamilienhauses hauchen ihm Leben ein und bringen die Stärken des Drehbuchs von Jürgen Werner zum Vorschein. Die liegen weniger in der Auflösung konventioneller Krimifragen als der Annäherung von Figuren, welche die meiste Zeit damit verbringen, sich in sich selbst zurückzuziehen, was die Kommissare mit einschließt. Das gelungene Szenenbild dient dabei als physische Erweiterung der Charaktere, die erst erkundet werden muss. Wenn der Moment erfolgt, zwei Menschen sich gegenüberstehen, die etwa mit dem Gedanken eines anderen Lebens spielen, für wenige Minuten ganz ohne Schutz, ohne Barriere, immer dann ist Freddy tanzt der beste Kölner Tatort seit einer ganzen Weile.

Mord des Sonntags: Unterlassene Hilfeleistung.

Zitat des Sonntags: "Er ist tot." - "Nicht mein Problem."


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