Tatort Kiel: Dagegen ist Westeros ein Ponyhof

29.03.2015 - 20:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Jaqen und Shae, endlich zusammen!
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Jaqen und Shae, endlich zusammen!
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Ins Problemviertel Gaarden verschlägt es Borowski und Brandt im hervorragenden neuen Tatort aus Kiel - und dessen Qualitäten liegen nicht nur in seiner unterschwelligen Game of Thrones-Fan-Fiction.

Natürlich könnte man jetzt schwadronieren über die Unterschiede zwischen deutschen TV-Krimis und amerikanischem Serienwunder, über Schauspieler wie Sibel Kekilli (a.k.a. Shae) und Tom Wlaschiha (a.k.a. Jaqen), die anderswo durch auswendige Fantasy-Intrigen navigieren, während ihre Talente hierzulande im Komödien- und Krimi-Einerlei absaufen. Es stimmt schon, Tatort: Borowski und die Kinder von Gaarden fügt sich auf den ersten Blick ins Klischee deutscher Sonntagabendunterhaltung ein: Zeitungsartikel über ein Kieler Problemviertel überfliegen und - schwupps - fertig ist der Tatort! Nur ist erstens der neue Borowski-Krimi viel besser als dieser Eindruck und zweitens Game of Thrones nun wirklich nicht das Maß aller Dinge, immerhin wurde Shae in der vierten Staffel komplett gegen die Wand gefahren und so weiter und so fort. Wenn nun aber ein amerikanischer Casting-Agent zufällig diesen Krimi sieht und Axel Milberg als etwas bräsigen Kommandanten der Nachtwache engagiert, dann nur zu, nur zu.


Tatort: Borowski und die Kinder von Gaarden

Im letzten Borowski-Tatort hatte die Modedroge Crystal Meth die Leben junger Menschen zersetzt. Diesmal verschlägt es den Kommissar (Axel Milberg) ins Kieler Viertel Gaarden, wo ein wegen sexuellen Missbrauchs verurteilter Pädophiler tot aufgefunden wurde. Ein "hilfloses Opfer, im Affekt erschlagen", schlussfolgert Brandt, was Kollege Borowski sofort hinterfragt. Ja, wer ist hier überhaupt Opfer, wer Täter? Die Kinder im Titel sind überwiegend Jungs, die ein- und ausgingen beim Verstorbenen. Mit Alkohol und Pornos hatte er sie angelockt, die Nachbarn wussten es, sahen aber nur zu. Dann ist da Polizist Rausch (Tom Wlaschiha), der mit Sonnenbrille auf der Nase durchs Viertel stolziert, ein echter Macker, halb Pate, halb Wildwest-Sheriff, 100 Prozent Posing. Borowski hat ihn sofort gefressen, Brandt erkennt Rauschi wieder, eine Legende aus ihrer Kindheit. Wlaschiha spielt diesen Cop zunächst genau so, nämlich wie die Erinnerung an einen aus der Ferne angehimmelten Macho-Schwarm, die sich 20 Jahre später wieder ins Bewusstsein drängelt. Es gibt nur ein Problem: Sie ist nicht mitgewachsen. Jeder Satz ein zynisches Raunen, jeder Blick eine Anmache, wenig verwunderlich, dass Borowski das wandelnde Abziehbild verdächtigt, während Brandt einen der Jungen als Täter wähnt, der offenbar missbraucht und erpresst wurde. Wie heißt es einmal so philosophisch: "Das Leben ist kompliziert."

Beide Ermittler brauchen eine ganze Weile, um in Gaarden Boden unter den Füßen zu spüren. Borowski, weil er, wie ihm mehrmals vorgeworfen wird, von seinem hohen Ross absteigen muss. Über No-Go-Area-Namen wie "Sheryl" amüsiert er sich, die "Mistkröten" regen ihn auf. Weiter kommt er in einer originellen Szene trotzdem nur, indem er sich mit den Kids auf einem Fußballplatz einschließen lässt. Zwang auf Augenhöhe, wenn man so will. Brandt derweil muss Erinnerung und Realität in Einklang bringen, um hinter Rauschi endlich Rausch zu sehen. Dass nun der Tatort nach diesem parallel montierten Höhepunkt nicht in sich zusammensackt, ist auch den Schauspielern zu verdanken, von Jung bis Alt. Bruno Alexander als Hauptverdächtiger Timo sei hier besonders erwähnt, aber auch die vielen Nebendarsteller, die der personell doch sehr stark eingeschränkten Milieuschilderung der Autoren Eva und Volker A. Zahn sowie des Regisseurs Florian Gärtner Glaubwürdigkeit verleihen. So einfach wie das blauschwarz-weiße Farbschema macht sich's das Drehbuch selten, zumindest wenn keine alleinerziehenden Mütter im Spiel sind. Dass nun Eltern oder gar Lehrer so gut wie komplett ausgespart werden in diesem Krimi, ist jedenfalls kein Zufall.

Mord des Sonntags: Mit dem Hammer erschlagen.

Zitat des Sonntags: "Sie sind ein blödes Arschloch." - "Das ist mir bekannt."

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